Pressemitteilung zur öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss: „Sterbebegleitung / Suizidprävention“ am 28.11.2022 in Berlin
Der Zentralrat der Konfessionsfreien hat den Rechtsausschuss aufgerufen, nur solche Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidhilfe in den Bundestag einzubringen, die dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020 gerecht werden. Keiner der vorliegenden Entwürfe achte das Grundrecht auf Autonomie am Lebensende, so Philipp Möller, Vorsitzender des Zentralrats.
Insbesondere der Entwurf um Lars Castellucci sei höchst problematisch, so Möller, „weil er das Urteil aus Karlsruhe regelrecht ignoriert.“ Der Gruppenantrag um den Beauftragten für Kirchen und Religionsgemeinschaften der SPD-Bundestagsfraktion sieht vor, den für nichtig erklärten § 217 StGB im Wortlaut wieder einzuführen und um Ausnahmen sowie ein Werbeverbot zu ergänzen. „Castellucci will zwei kürzlich gestrichene Gesetze zu einem neuen recyceln“, so Möller. „Diese Taktik versteckt er hinter einem zweiten Antrag zur Stärkung der Suizidprävention. Wer ihm folgt, riskiert eine Blamage in Karlsruhe.“
Die zwei liberaleren Entwürfe hingegen seien grundsätzlich zu begrüßen, weil sie nicht im Strafgesetzbuch angesiedelt sind, ergänzt die stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats, Ulla Bonnekoh, die seit vielen Jahren mit der Suizidhilfe befasst ist. In einem Schreiben an den Rechtsausschuss begrüßt der Zentralrat die Überlegungen, diese beiden Entwürfe zusammenzulegen. „Ein Kompromiss der liberaleren Entwürfe müsste aber alle Elemente hinter sich lassen, die die Autonomie am Lebensende erneut einschränken.“ Dazu gehörten sowohl die Pflichtberatungen und die pauschalen Wartefristen im Entwurf um Helling-Plahr, als auch die Pflicht zur Rechtfertigung vor Behörden, die im Entwurf um Künast für Menschen ohne medizinische Notlage vorgesehen sind. „Beratungen über das ärztliche Aufklärungsgespräch hinaus müssen stets freiwillig sein“, so Bonnekoh, „und alle Suizidwilligen müssen die freie Wahl des Zugangsweges haben.“
„Mit seinem bahnbrechenden Urteil hat das Bundesverfassungsgericht jenen Rechtszustand wiederhergestellt, der bis zum Jahr 2015 viele Jahrzehnte lang bestand – und keinerlei Probleme verursacht hat“, ergänzt Philipp Möller. Dafür spreche auch der Bericht von drei Organisationen, die seit Februar 2020 wieder Freitodbegleitungen durchführen bzw. vermitteln und dabei keinerlei polizeiliche Beanstandungen verzeichnen. „Das Urteil aus Karlsruhe stärkt die Rechte des Individuums und wurde maßgeblich durch unsere Mitglieder erstritten“, so Möller. „Deshalb setzen wir uns jetzt dafür ein, dass Autonomie am Lebensende nicht schon wieder vom Bundestag eingeschränkt wird. Ein freiverantwortlicher Suizid ist das Grundrecht aller Menschen – staatliche Bevormundung hingegen oder der Aufbau von Hürden bei der Ausübung eines Grundrechts sind verfassungswidrig.“