Habeck verbreitet Caritas-Legende zur Prime-Time in ARD

Pressemitteilung

Der Zentralrat der Konfessionsfreien stellt klar: In der gestrigen ARD-Sendung „Wahlarena” hat Robert Habeck zur Verbreitung von Falschinformationen zur Finanzierung sozialer Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft beigetragen. Ein Zuschauer hatte gefragt, wie Habeck damit umgehen wolle, dass immer mehr Menschen aus den Kirchen austreten, wodurch die Kirchensteuereinnahmen sinken und die sozialen Angebote der Kirchen gefährdet seien. Der Wirtschaftsminister hat daraufhin nicht richtig gestellt, dass Caritas und Diakonie zu 98% durch Versicherungsbeiträge finanziert werden. Stattdessen hat er vorgeschlagen, die Einrichtungen noch stärker staatlich zu unterstützen.

Screenshot aus der ARD-Sondersendung „Wahlarena zur Bundestagswahl 2025”

„Mit seiner Antwort hat Habeck die Caritas-Legende zur Prime-Time in der ARD verbreitet”, sagt der Vorsitzende Philipp Möller. „Entweder weiß der amtierende Wirtschaftsminister nicht, dass Caritas und Diakonie nicht durch die Kirchenaustritte gefährdet sind, weil sie nur zu zwei Prozent durch die Kirchen finanziert werden, oder er hat die Caritas-Legende bewusst verbreitet – in jedem Fall hat seine Antwort zur Desinformation des Publikums beigetragen.” 

In einem Schreiben an den Minister hat der Verband klargestellt: „Der Anteil der kirchlichen Finanzmittel in Einrichtungen von Caritas und Diakonie beträgt lediglich 1,8% bis 2,2%. Rund 98% der Kosten werden durch Renten- und Pflegeversicherungsbeiträge gedeckt. Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft werden zu 100% ohne Kirchensteuer finanziert. Kirchenaustritte stellen keinerlei Gefahr für die Stabilität der öffentlichen Daseinsvorsorge dar.” 

Angesichts der kartellartigen Absprachen zwischen Staat und Kirchen fordert der Zentralrat einen nachhaltigen Ausbau öffentlicher sozialer Angebote sowie die Gleichstellung privater und kirchlicher Träger, statt einer noch stärkeren staatlichen Subventionierung kirchlicher Träger. Zudem hat der Verband dem Wirtschaftsminister nahegelegt, die Fakten zur „Caritas-Legende” bei nächster Gelegenheit öffentlich klarzustellen. In dem Schreiben heißt es: „Eine faktenbasierte, transparente Kommunikation stärkt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik und trägt zu einer fundierten Debatte bei – gerade in Zeiten intensiver öffentlicher Diskussionen vor der Bundestagswahl.”

Das Schreiben an den Bundesminister im Wortlaut:


Sehr geehrter Herr Bundesminister Habeck,

mit großem Erstaunen haben wir gestern in der ARD-Sendung „Wahlarena” Ihre Antwort zur Finanzierung sozialer Einrichtung in kirchlicher Trägerschaft (z.B. Caritas und Diakonie) verfolgt (ca. 01h55). Mit ihrer Antwort haben Sie zur Verbreitung der sog. „Caritas-Legende” beigetragen – die Falschinformation, dass soziale Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft im Wesentlichen aus der Kirchensteuer oder von den Kirchen finanziert würden. 

Zur Klarstellung senden wir Ihnen hiermit drei zentrale Fakten zur Finanzierung sozialer Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft:

  1. Soziale Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft werden (fast) gar nicht durch die Kirchensteuer finanziert. Der Anteil der kirchlichen Finanzmittel in Einrichtungen von Caritas und Diakonie beträgt lediglich 1,8% bis 2,2%. Rund 98% der Kosten werden durch Renten- und Pflegeversicherungsbeiträge gedeckt. Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft werden zu 100% ohne Kirchensteuer finanziert. Kirchenaustritte stellen keinerlei Gefahr für die Stabilität der öffentlichen Daseinsvorsorge dar.
  2. Die Kirchensteuereinnahmen sinken nicht, sondern sie steigen. Die Steuereinnahmen der katholischen und der evangelischen Kirchen haben sich in den letzten 20 Jahren fast verdoppelt: von 7,7 Mrd. Euro in 2004 auf knapp 14 Milliarden Euro in 2024. Kaufkraftbereinigt zeichnet sich zwar ein leichter Rückgang ab, der allerdings wesentlich kleiner ausfällt als die hohen Austrittszahlen nahelegen.
  3. Subventionierung der Kirchensteuer zu fast 40% durch allgemeine Steuergelder. In der vergangenen Legislaturperiode wurde die Kirchensteuer mit fast 18 Mrd. Euro durch allgemeine Steuergelder subventioniert; im Jahr 2024 betrug die Subvention durch Bund und Länder 4,62 Mrd. Euro. Durch die unbegrenzte Absetzbarkeit der Kirchensteuer von der Einkommenssteuer werden einkommensstarke Kirchensteuerzahler bevorzugt, wie der Subventionsbericht der Bundesregierung zeigt.

Zudem haben Sie in der ARD-Wahlarena zur Abfederung des Scheinproblems kirchlicher Mindereinnahmen durch Kirchenaustritte eine „stärkere staatliche Unterstützung Richtung Bürgerversicherung” vorgeschlagen. Wir möchten Sie daran erinnern, dass die Monopolkommission bereits vor über 20 Jahren kartellartige Absprachen zwischen Staat und kirchlichen Wohlfahrtsverbänden kritisiert hat, die den Wettbewerb behindern und die Vormachtstellung der Kirchen schützen. Die arbeitsrechtliche Diskriminierung in diesen Einrichtungen ist ein deutscher Sonderweg, der das Problem des kirchlichen Monopols noch verschärft. In vielen ländlichen Regionen fehlen Alternativen zu Caritas und Diakonie – was Konfessionsfreie benachteiligt. Wir fordern einen nachhaltigen Ausbau öffentlicher sozialer Angebote sowie die Gleichstellung privater und kirchlicher Träger. Die Antwort darf in einer pluralen Gesellschaft nicht auf noch stärkere Steuersubventionierung kirchlicher Einrichtungen lauten, sondern auf Aufhebung der kirchlichen Vormacht in der Wohlfahrtspflege.

Wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie, Herr Bundesminister Habeck, diese Fakten zur „Caritas-Legende” bei nächster Gelegenheit öffentlich klarstellen. Eine faktenbasierte, transparente Kommunikation stärkt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik und trägt zu einer fundierten Debatte bei – gerade in Zeiten intensiver öffentlicher Diskussionen vor der Bundestagswahl. Sehen Sie Möglichkeiten, den Ausbau öffentlicher sozialer Angebote sowie die Gleichstellung privater und kirchlicher Träger aktiv voranzubringen?

Mit freundlichen Grüßen 

Philipp Möller