
Zum heutigen Start der Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung nach der Bundestagswahl vom 23. Februar 2025 hat Philipp Möller für den Zentralrat der Konfessionsfreien einen persönlich adressierten Brief an die neu gewählten Abgeordneten gesendet. Darin gratuliert er ihnen zum Einzug in den 21. Deutschen Bundestag und bedankt sich für ihre Bereitschaft, politische Verantwortung zu übernehmen.
Das neu gewählte Parlament stehe vor der großen Herausforderung, der zunehmenden Polarisierung in unserer Gesellschaft wirksam entgegenzutreten, so Möller. Als Interessenverband für säkulare Politik möchte der Zentralrat diese Debatte um tragfähige Lösungen begleiten. Möller stellt fest:
„In der Bevölkerung gibt es absolute Mehrheiten für eine religionspolitische Zeitenwende – aber in der Politik bildet sich dieser Wille bislang nicht ab. Daher haben wir die neuen Abgeordneten gefragt: Welche Rolle spielt die bisherige Religionspolitik und der staatliche Umgang mit Religion bei der zunehmenden Polarisierung in unserer Gesellschaft?“
Im Folgenden veröffentlichen wir den Brief in voller Länge. Hier vorab die fünf Impulse:
- Modernisierung der Religionspolitik
- Auflösung der Deutschen Islamkonferenz (DIK)
- Bekenntnisfreie Schulen ermöglichen und stärken
- Kein religiöses Sonderarbeitsrecht
- Fiskalische Entlastung in Milliardenhöhe
Das Schreiben im Wortlaut:
Anrede,
zum Einzug in den 21. Deutschen Bundestag gratuliere ich Ihnen herzlich und danke Ihnen dafür, dass Sie politische Verantwortung für unser Land übernehmen!
Das neu gewählte Parlament, dem Sie angehören, steht vor der großen Herausforderung, der zunehmenden Polarisierung unserer Gesellschaft wirkungsvoll entgegenzutreten. Als Interessenverband für säkulare Politik möchten wir Sie in der Debatte um tragfähige Lösungen unterstützen – und den Austausch gerne mit dieser zentralen Frage starten:
Welche Rolle spielt die bisherige Religionspolitik und der staatliche Umgang mit Religion bei der zunehmenden Polarisierung in unserer Gesellschaft?
Wie wir in diesem Schreiben darlegen, ist ein „Weiter so” in der Religionspolitik keine Lösung. Ganz im Gegenteil: Die übliche staatsnahe Kirchenpolitik trägt zu zahlreichen Problemen bei. Das Grundgesetz unterscheidet nicht zwischen den Religionen. Althergebrachte kirchliche Sonderrechte und Steuersubventionen werden von islamistischen Akteuren gezielt genutzt, um die gleichen Privilegien für sich einzufordern – die ihnen laut Gleichbehandlungsgrundsatz der Verfassung zustehen. Trotz der Tatsache, dass der Politische Islam keine Trennung von Religion und Politik kennt, kooperiert unser Staat immer wieder mit diesen Akteuren, zum Beispiel in der Deutschen Islamkonferenz oder beim Islamunterricht an öffentlichen Schulen.
Liberale und säkulare Muslime warnen seit Jahren davor, dass diese Religionspolitik den Islamismus fördert und dadurch wiederum den Rechtsextremismus stärkt. Dafür wurden sie oft ignoriert und diffamiert, obwohl die Realität ihnen immer wieder Recht gibt: Spätestens seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 lässt sich eine Eskalation zweier besorgniserregender Phänomene nicht länger leugnen: islamischer Antisemitismus, nicht selten unter Beifall linksradikaler Gruppen, und islamistische Terrorangriffe – beides stärkt den Rechtsextremismus.
Deshalb sind wir überzeugt, dass das Vertrauen der Bevölkerung in eine verlässliche politische Mitte nur mit einer umfassenden Reform des Verhältnisses von Staat und Religion wiederhergestellt kann – kurzum: durch eine religionspolitische Zeitenwende.
Absolute Mehrheiten für eine religionspolitische Zeitenwende
Die Ausrichtung der heutigen Religionspolitik beruht noch immer auf einem Staat-Kirche-Verhältnis, das vor über 100 Jahren entstanden ist. Damals gehörten etwa 98 Prozent der Bevölkerung einer christlichen Kirche an. Heute sind es nur noch rund 46 Prozent – mit stark fallender Tendenz. Mehrere Umfragen verdeutlichen zudem, dass absolute Mehrheiten in Deutschland konkrete Reformen befürworten:
- Rund 90 Prozent der Bevölkerung nehmen die staatlich geförderten Angebote der organisierten Religionen nicht in Anspruch. Die Daten der jüngsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) „Zur Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft“ zeigen, dass sich nur noch 13 Prozent der Bevölkerung als religiös bezeichnen und nur 6 Prozent regelmäßig religiöse Veranstaltungen besuchen.
- 75 Prozent der Bevölkerung, einschließlich der Kirchenmitglieder, sprechen sich für die Abschaffung des staatlichen Einzugs der Kirchensteuer aus.
- Über 70 Prozent der Bevölkerung sind für „Ethikunterricht für alle“. Im Detail: 86 Prozent unter Konfessionsfreien, 57 Prozent bei Katholiken, 67 Prozent bei Protestanten und 60 Prozent bei Muslimen.
- Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung sind für säkulare statt religiöse Regelungen in medizinethischen Fragen, etwa für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs durch Streichung des § 218 StGB.
- 90 Prozent sprechen sich dafür aus, islamische Organisationen zu verbieten, die religiöse Gebote über das Grundgesetz stellen – ein überwältigender Konsens für das entschiedene Vorgehen gegen den Politischen Islam.
Fünf Impulse für eine religionspolitische Zeitenwende
- Modernisierung der Religionspolitik
Passen Sie die Religionspolitik an unsere heutige, pluralistische Gesellschaft an. Sonderrechte und Steuermilliarden für Religionsgemeinschaften finden keine Mehrheiten, haben teils keine gesetzlichen Grundlagen und leisten kaum einen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Stärken Sie stattdessen die Prinzipien des weltanschaulich neutralen Staats durch:
- Entflechtung der Finanzen von Staat und Kirchen, insbesondere durch Abschaffung des staatlichen Einzugs der Kirchensteuer und Ablösung der historischen Staatsleistungen
- Streichung der Pflicht zur Offenlegung des religiösen Bekenntnisses beim Eintrag der Konfession auf der Lohnsteuerkarte
- Abbau von Sonderrechten für Religionsgemeinschaften – denn laut Artikel 140 Grundgesetz müssen sie „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes” agieren
- Stärkung der Grundrechte wie Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Kunst-, Wissenschafts- und Meinungsfreiheit sowie Einsatz gegen Erscheinungsformen des Politischen Islam: Einflussnahme islamistischer Autokratien auf deutsche Moscheegemeinden und Bildungseinrichtungen, religiöses Mobbing in Schulen, Parallelgesellschaften mit u.a. Kopftuchzwang und Kinderehen, Radikalisierung im digitalen Raum, islamischer Antisemitismus, Einführung von Scharia und Kalifat und weitere extremistische Phänomene
- Auflösung der Deutschen Islamkonferenz (DIK)
„Die deutsche Islampolitik ist weitgehend gescheitert, denn sie hat Integration behindert und Extremisten gestärkt”, stellt der Arbeitskreis Politischer Islam (AK Polis) fest und formuliert konkrete Vorschläge:
- Auflösung der Deutschen Islamkonferenz (DIK) nach Abschluss der Phase 5 (Gesamtlaufzeit 2006 – 2025)
- Übertragung der geplanten Haushaltsmittel in Höhe von 7,6 Millionen Euro aus dem Entwurf des Bundeshaushaltsplans 2025 (Einzelplan 06) in die reguläre Integrationspolitik für die Extremismusprävention und Demokratiebildung
- Förderung der Integration durch Sprache, Bildung und Arbeit statt durch Förderung der Religion
- kontinuierliche, ressortübergreifende Beratung der Bundesregierung durch einen „Expertenkreis Politischer Islam”
- Transparenz und Rechenschaftslegung gegenüber dem Deutschen Bundestag
- Bekenntnisfreie Schulen ermöglichen und stärken
Schulen sollen Erkenntnisse vermitteln, aber Religionsunterricht vermittelt Bekenntnisse. Es gibt pädagogische, integrationspolitische, verfassungsrechtliche und fiskalische Gründe, öffentliche Schulen als „bekenntnisfreie Schulen” zu gestalten – dies sieht das Grundgesetz ausdrücklich vor.
- gemeinsames Lernen fördert die Integration und den Zusammenhalt – Kinder und Jugendliche werden nicht nach konfessionell getrennten Religionsgruppen unterrichtet
- immer weniger Kinder werden zu „Reli” angemeldet
- Schulen sind mit der Vielzahl der „Reli”-Unterrichte oft organisatorisch überfordert und improvisieren teils verfassungswidrige Scheinlösungen
- am Islam-Unterricht wirken Organisationen aus dem Bereich des Politischen Islam mit
- Kein religiöses Sonderarbeitsrecht
Beenden Sie das kirchliche Sonderarbeitsrecht, mit dem fast 2 Millionen Beschäftigte der offenen Diskriminierung ausgesetzt werden – bevor es flächendeckend auf islamische Sozialträger ausgeweitet werden muss und weitere religiöse Nebenrechtsordnungen entstehen. Nur ein weltliches Recht, das für alle gilt, garantiert Gleichbehandlung in einer pluralen, multireligiösen Gesellschaft. Dazu sind ersatzlose Streichungen in zwei Gesetzen erforderlich:
- § 118 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
- § 9 und § 20 Abs. 1 Ziffer 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
- Fiskalische Entlastung in Milliardenhöhe
Schaffen Sie in dieser Legislaturperiode mehr als 18 Milliarden Euro Steuer-Mehreinnahmen: Streichen Sie die Sonderregelung zur Kirchensteuer im Einkommensteuergesetz, die dazu führt, dass die Kirchensteuer zu fast 40% aus allgemeinen Steuergeldern subventioniert wird, wovon insbesondere evangelische und katholische Spitzenverdiener profitieren. Auf diesem Wege sorgen Sie für Fairness und Gleichbehandlung im Steuerrecht. Die Steuergelder könnten für Zwecke verwendet werden, die effizienter und wirksamer dem Gemeinwohl dienen.
- Ersatzlose Streichung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG (Einkommensteuergesetz)
- Genaue Zahlen im 29. Subventionsbericht der Bundesregierung auf S. 116
Unser Angebot an Sie: Miteinander ins Gespräch kommen
Sind diese fünf Impulse aus Ihrer Sicht geeignet, um die gesellschaftliche Polarisierung zu verringern und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die politische Mitte zu stärken?
Gern möchten wir die Diskussion mit Ihnen vertiefen:
- Welche Erfahrungen und Ansichten bringen Sie aus Ihrem Wahlkreis mit?
- Wo sehen Sie konkrete Ansatzpunkte für diese „5 Impulse”?
- An welchen Stellen wünschen Sie sich weitere Informationen oder Expertise von unserer Seite?
Wir würden uns sehr freuen, mit Ihnen persönlich ins Gespräch zu kommen – gerne bei einem Treffen im Bundestag. Der Transparenz halber möchten wir erwähnen, dass wir im Lobbyregister unter der Nr. R002762 verzeichnet sind. Bitte zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren, falls Sie Fragen haben oder weitere Anregungen wünschen.
Wir danken Ihnen nochmals für Ihren Einsatz und wünschen Ihnen einen erfolgreichen Start in die neue Legislaturperiode.
Mit freundlichen Grüßen
Philipp Möller