Trotz gravierender religionspolitischer Versäumnisse erkennt der Zentralrat der Konfessionsfreien im neuen Koalitionsvertrag von SPD und Union auch Ansätze für dringend notwendige Reformen – vor allem im Umgang mit dem Politischen Islam. Eine säkulare Einschätzung.

Die „Zeitenwende in der Inneren Sicherheit“ ist für den Zentralrat eine der wichtigsten Perspektiven im Koalitionsvertrag. Darin wird ein entschlossener Kurs gegen demokratiefeindliche Kräfte angekündigt – ausdrücklich auch gegen den Islamismus. Die Einführung eines Bund-Länder-Aktionsplans, neue Transparenzpflichten der Finanzierung von Organisationen und die Verstetigung des Regierungsgremiums „Task Force Islamismusprävention“ sind aus Sicht des Vorsitzenden des Zentralrats Philipp Möller richtige und wichtige Schritte.
„Profilierte Islamismus-Expertise, um die künftige Regierung zu unterstützen”
„Union und SPD haben nicht nur erkannt, dass der Politische Islam eine ernsthafte Bedrohung der inneren Sicherheit Deutschlands darstellt, sondern das Problem auch offen benannt – das ist ein wichtiger Fortschritt und eine zwingende Voraussetzung für die Modernisierung der Religionspolitik”, so Möller. „Im Arbeitskreis Politischer Islam steht profilierte Islamismus-Expertise bereit, um die künftige Regierung dabei zu unterstützen.”
Im November 2024 beteiligte sich der Zentralrat an der Gründung des Arbeitskreises Politischer Islam (ak-polis.de). Das Netzwerk versteht sich als regierungsunabhängige und parteiübergreifende Initiative. Schon in seiner Gründungsresolution forderte es eine ganzheitliche und dauerhafte Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Politischen Islam – im Interesse der freiheitlichen Gesellschaft ebenso wie im Sinne gut integrierter Muslime. In seiner ersten Pressemitteilung sprach sich der AK Polis für eine Auflösung der Deutschen Islamkonferenz aus, da sie „Integration behindert und Extremisten gestärkt” habe.
„Durchaus Chancen, auch bei kirchennahen Politikern auf Zustimmung zu stoßen”
Zugleich fordert Philipp Möller dazu auf, den Islamismus stets im religionspolitischen Gesamtbild zu betrachten: „Der entschiedene Einsatz gegen Islamismus kann nur gelingen, wenn die neue Regierung erkennt, dass die Erfolge des Politischen Islam auf dem festen Fundament religiöser Sonderrechte stehen – und dieses Fundament ist vor allem durch die Kirchenlobby zementiert.“
Ein besonders weitreichendes Problem stelle das kirchliche Sonderarbeitsrecht dar, so Möller, das im Koalitionsvertrag nicht einmal erwähnt wird. „Auch vielen Mitgliedern der Unionsfraktion ist bewusst, dass das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes islamischen Organisationen ein eigenes religiöses Arbeitsrecht zugesteht – solange es für die Kirchen gilt. Ich sehe deshalb durchaus Chancen, auch bei kirchennahen Politikern auf Zustimmung für die Abschaffung religiöser Sonderarbeitsrechte zu stoßen. Wir setzen uns daher weiterhin für eine Anpassung des Betriebsverfassungsgesetzes und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ein, damit alle Beschäftigten den gleichen arbeitsrechtlichen Schutz genießen – unabhängig von der religiösen Bindung ihres Arbeitgebers.”
Der Zentralrat blickt konstruktiv auf die kommende Legislaturperiode
Die Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), die in einem Kreis um Philipp Amthor (CDU) geplant war, kommt im Koalitionsvertrag nicht mehr vor. Möller bezeichnet das als Erfolg: „Als diese Pläne Ende März bekannt wurden, haben wir gemeinsam mit vielen anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen sofort und entschieden gewarnt. Wir setzen uns aber nicht bloß für den Erhalt des IFG ein, sondern für eine Stärkung der Transparenz und des freien Informationszugangs – das ist für säkulare Politik unerlässlich, denn leider haben frühere Regierungen die Absprachen mit Kirchen und Islamverbänden üblicherweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen.”
Weitere säkulare Reformbedarfe sind im Koalitionsvertrag nicht formuliert – weder in Bezug auf den Abbau der milliardenschweren Subventionierung der Kirchensteuer, noch bei der Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, der Etablierung bekenntnisfreier Schulen oder der längst überfälligen Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen.
Unterm Strich blickt Philipp Möller dennoch konstruktiv auf die kommende Legislaturperiode: „Es bleibt viel zu tun, deshalb weisen wir weiter auf die blinden Flecken der Religionspolitik hin und unterstützen mit unserem Projekt Artikel 140 die Modernisierung des Verhältnisses von Staat und Religion. Ein echter Politikwechsel, der den längst vorhandenen absoluten Mehrheiten in der Bevölkerung für säkulare Politik gerecht wird, kann nur mit einer weltanschaulich neutralen Religionspolitik gelingen.”
Weiterführende Informationen
- „An den neuen Bundestag: Fünf Impulse für eine religionspolitische Zeitenwende“ (Link)
- „Kein islamisches Sonderarbeitsrecht – Äquidistanz des Staates zu Kirchen und Moscheen: Religiöses Sonderarbeitsrecht jetzt abschaffen!“ (Konfessionsfrei Kompakt Nr. 2)
- „Bekenntnisfreie Schule im bekenntnisfreien Staat – Gemeinsam ‚Ethik‘ statt getrennt ‚Religion’” (Konfessionsfrei Kompakt Nr. 4)
- „Die Deutsche Islamkonferenz sollte aufgelöst werden!“ (Link)
- Gastbeitrag von Philipp Möller in der Frankfurter Rundschau: „Absolute Mehrheiten für säkulare Politik“ (Link)
Weitere Hintergründe