Nach dem Anschlag auf Salman Rushdie haben wir die Bundesregierung in einem offenen Brief dazu aufgefordert, die Streichung des §166 StGB in die Wege zu leiten und vom iranischen Mullah-Regime zu verlangen, alle Fatwas gegen Religionskritiker aufzuheben – hier der offene Brief, über den auch die NOZ berichtet hat:
Sehr geehrte Frau Bundesministerin Baerbock,
sehr geehrter Herr Bundesminister Buschmann,
das Attentat auf Salman Rushdie ist ein so grausamer wie dringender Anlass, die Streichung des §166 StGB in die Wege zu leiten und das iranische Mullah-Regime aufzufordern, die Mordaufträge gegen Rushdie und andere Personen zurückzuziehen.
Der auch als „Blasphemieparagraf“ bezeichnete §166 StGB stellt die „Beschimpfung einer Religion“ unter Strafe, wenn sie „geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Das Gesetz stellt das Täter-Opfer-Prinzip auf den Kopf und behindert Religionskritik, die in einem modernen Rechtsstaat jedoch ohne Angst vor Gewalt oder Strafverfolgung möglich sein muss! Statt Kritiker zu schützen, stiftet der §166 StGB religiöse Fundamentalisten regelrecht an, gewaltsam auf Religionskritik zu reagieren – denn nur so gefährdet sie den öffentlichen Frieden.
Die Konsequenzen daraus sind heftig: Nach § 166 StGB hätten die ermordeten Karikaturisten des Pariser Satiremagazins „Charlie Hebdo“ oder der französische Lehrer Samuel Paty eine Mitschuld an ihrem eigenen Tode, weil sie die islamistischen Täter dazu ermutigt hätten. Auch Salman Rushdie wäre vorzuwerfen, dass seine islamkritischen Texte die „Fatwa“, also den offenen Mordauftrag gegen ihn provoziert hätten – und damit auch das Attentat auf ihn.
Dass der §166 StGB in Deutschland aktuell zur Anwendung kommt, zeigt der Fall von Abbas M., der bei einer Kundgebung im Juli 2022 in Stuttgart von Islamisten angegriffen und verletzt wurde. Im Anschluss daran wurde M. auf Basis des §166 StGB verurteilt. Der brutale Angriff auf ihn hat nach Einschätzung der Richterin und der Staatsanwältin gezeigt, dass seine Islamkritik den öffentlichen Frieden gestört hat.
Dabei ist Kritik ein elementarer Bestandteil der Demokratie. Das geplante Demokratieförderungsgesetz Ihrer Regierung soll der „Entstehung demokratiefeindlicher Phänomene“ und „extremistischen Tendenzen frühzeitig entgegenwirken“ sowie „Radikalisierungsprozesse rechtzeitig unterbrechen“. Das ist richtig und wichtig, aber nicht erst der religiöse Extremismus ist gefährlich, sondern bereits die Vorstufen des totalitären Denkens. Keine Form des religiösen Glaubens darf die Missachtung weltlicher Gesetze, die Unterdrückung von Frauen, den Hass auf Anders- und Nichtgläubige oder die Verletzung von Kinderrechten legitimieren.
Wir fordern Sie daher auf: Verteidigen Sie die freiheitlichen Werte, zu denen sich Ihre Parteien bekennen, indem Sie jetzt die ersatzlose Streichung des §166 StGB in die Wege leiten! Dieser Paragraf verhindert die dringend nötige Religionskritik und bringt Menschen in Gefahr, die ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen. Religiöse Überzeugungen stehen nicht unter Denkmalschutz, sondern müssen genau so kritisiert werden können, wie alle anderen Überzeugungen auch – vor allem, wenn Sie im Konflikt mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen. Die Existenz eines solchen Gesetzes in einem modernen Rechtsstaat wie Deutschland ist ein fatales Signal an totalitär-religiöse Staaten. In Großbritannien oder den Niederlanden gibt es kein solches Gesetz; in Frankreich wurde es vor über 150 Jahren abgeschafft. Das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen vertritt den Standpunkt, dass „Blasphmiegesetze“ die Meinungsfreiheit einschränken und nicht kompatibel mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sind.
Nutzen Sie zudem die außenpolitische Kraft Deutschlands, um das iranische Mullah-Regime offen und nachdrücklich dazu aufzufordern, alle bestehenden Mordaufträge („Fatwas gegen Religionskritiker“) zurückzuziehen und keine neuen mehr auszusprechen! Iranische Staatsmedien haben das gescheiterte Attentat öffentlich bedauert und dem nächsten Attentäter mehr Erfolg gewünscht. Zu diesem fundamentalen Verstoß gegen die Menschenrechte darf die Bundesregierung nicht schweigen.
Wir zählen auf Sie und senden beste Grüße!
Philipp Möller, Vorsitzender