Stellungnahme zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs

Pressemitteilung

Berlin, 11. Oktober 2023 – Der Zentralrat der Konfessionsfreien hat eine weltanschaulich neutrale Neuregelung und vollständige Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs gefordert. In seiner Stellungnahme an die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission argumentiert der Verband, die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs sei religiös begründet und somit verfassungswidrig. Zudem gebe es immer mehr Menschen, die ihr Leben frei von weltanschaulich motivierten Normen gestalten. Beidem müsse die Kommission Rechnung tragen und rein weltanschauliche Aspekte unberücksichtigt lassen.


Mit Blick auf die geplante Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs hat die von der Bundesregierung eingesetzte „Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin” etwa 50 Organisationen um eine Stellungnahme gebeten, darunter der Zentralrat der Konfessionsfreien. In seinem kürzlich eingereichten Impulspapier konzentriert sich der Verband auf die weltanschauliche Neutralität der Neuregelung, aus der er die vollständige Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ableitet. 

„Wir begrüßen es sehr, dass die Bundesregierung eine Kommission eingesetzt hat, um die komplexen juristischen, ethischen und medizinischen Fragen zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs zu beantworten”, erklärt der Vorsitzende des Zentralrats, Philipp Möller. „Aber theologische und andere weltanschauliche Fragen sind im Gesetzgebungsprozess irrelevant.” Daher wundere er sich über die Einladung weltanschaulicher Organisationen zur Stellungnahme. Denn das Recht, eine ungewollte Schwangerschaft auszutragen, etwa aus religiösen Gründen, stehe hier nicht zur Debatte. „Wer glaubt, Abtreibung sei Mord, darf auch ungewollt ein Kind in die Welt setzen”, fügt der Vorsitzende hinzu. „Aber es steht dem Gesetzgeber nicht zu, die Alternativen zu dieser religiös begründeten Handlung strafrechtlich zu regeln.”

In einer ausführlichen Stellungnahme des Hans-Albert-Instituts hatte Michael Schmidt-Salomon bereits im Zusammenhang mit der Streichung des § 219a StGB dargelegt, dass die §§ 218 und 219 religiös begründet sind. Auch die dazugehörigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von 1975 und 1993 sind nach dieser Analyse rechtswissenschaftlich inkonsistent und weltanschaulich beeinflusst. „Wer religiöse Überzeugungen in Gesetze gießt, handelt in mindestens dreifacher Hinsicht verfassungswidrig”, führt Möller weiter aus. Konkret ginge es dabei um das Verfassungsgebot der weltanschaulichen Neutralität des Staates, um die Weltanschauungsfreiheit aus Artikel 4 und das Diskriminierungsverbot aus Artikel 3. 

„Außerdem haben wir die Kommission dazu ermutigt, die stetige Entwicklung hin zur Konfessionsfreiheit anzuerkennen”, sagt der Vorsitzende. Es gebe immer mehr Menschen, die ihr Leben frei von weltanschaulichen Überzeugungen gestalten. „Als ein Großteil der Deutschen noch christlich gebunden war, wurde die Verfassungswidrigkeit des Abtreibungsverbots offenbar kaum beachtet”, so Möller weiter, „aber diese Zeiten sind längst vorbei.” Die Konfessionsfreien sind mit 44 % die relativ größte Bevölkerungsgruppe, und schon bald werden sie auch die absolute Mehrheit stellen. Nach einer Befragung vom Dezember 2022 wollen 83 % der Deutschen den Schwangerschaftsabbruch legalisieren, nur 9 % wollen das strafrechtliche Verbot aufrechterhalten.

Weil die Kriminalisierung zudem große Lücken in die Versorgungssicherheit gerissen habe, reiche die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs allein nicht aus. „Momentan sind Schwangerschaftsabbrüche verboten, zwar straffrei und möglich, aber schwierig”, sagt Möller. „In einem liberalen Rechtsstaat müssen sie aber nicht bloß erlaubt sein, sondern auch praktisch ermöglicht.” Deshalb hat der Zentralrat der Konfessionsfreien seiner Stellungnahme eine Liste weiterer Maßnahmen hinzugefügt. Dazu gehören die Anerkennung des Schwangerschaftsabbruchs als Teil der medizinischen Ausbildung und als Kassenleistung, die Enttabuisierung durch Aufklärung und die strafrechtliche Verfolgung von Gehsteigbelästigungen sowie Aufrufen zur Gewalt gegen Einrichtungen und Personen, die Abbrüche durchführen. Ebenso lehnt die Lobbyorganisation jegliche Fristenlösung und gesetzliche Wartezeiten ab, „da beide Einschränkungen sich nicht weltanschaulich neutral, verfassungskonform und rechtswissenschaftlich konsistent begründen lassen”, wie der Vorsitzende klarstellt.

Ein besonderes Augenmerk hat der Zentralrat der Konfessionsfreien auf die Beratung zum Schwangerschaftsabbruch gelegt. Er fordert nicht nur, dass die „christlich motivierte Beratungspflicht” durch ein freiwilliges Beratungsangebot ergänzt wird; das Verfassungsgebot der weltanschaulichen Neutralität müsse auch „über die Gesetzgebung hinaus” gelten. „Weltanschauungsgemeinschaften sollten ihre Beratungen anbieten dürfen, wenn sie freiwillig sind”, sagt Philipp Möller. „Aber eine weltanschaulich neutrale und ergebnisoffene Beratung ist von ihnen nicht zu erwarten – also sollten sie auch keine staatlichen Subventionen erhalten.”


Pressekontakt:

Zentralrat der Konfessionsfreien e.V.
info@konfessionsfrei.de
+49 160 554 2153

Die Stellungnahme zum Download:


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